Aachener Zeitung, 11. Oktober 2003



Königlicher Dünkel entlarvt sich selbst

Spürbar Theater überzeugt bei "Yvonne - die Burgunderprinzessin"

Von Juliane Kern

Aachen. Dabei zeugte die Inszenierung von "Yvonne - die Burgunderprinzessin" durch das Spürbar Theater, einer Gruppe äußerst ambitionierter Amateur-Darsteller, von einer außergewöhnlichen Leistung des Ensembles. Der Gruppe unter der Regie der Theater- und Tanzpädagogin Nicole Erbe gelang es, der schwarzen Komödie einen aktuellen Bezug zu geben und der westlichen Hautevolet den Spiegel vorzuhalten. So rückt das Ensemble beispielsweise einen Silikonbusen an die Stelle einer Korsage, um so die Vergänglichkeit und Künstlichkeit von Schönheit zu skizzieren. Ein Klatschmagazin dient Prinz Philipp als Unterhaltungsmedium.

Die Handlung: Prinz Philipp (Philipp Brockerhoff) - von den Konventionen des Hoflebens gelangweilt verlobt sich mit der hässlichen, ungeschickten und plumpen Yvonne (brillant: Anne Dauberschmidt), um so einen Kontrast zu dem von Formen erstarrten Adel zu bilden und seine Unabhängigkeit zu betonen. Mit Yvonne an seiner Seite, deren häßlicher Anblick seine Würde verletzt, glaubt er, den natürlichen Ekel zu überwinden. König Ignaz (Michael Wülker) und Königin Margarethe (Nina Springer) sind entsetzt ob der Pläne ihres Sprösslings, doch willigen sie - aus Angst vor einem Skandal - in die Heirat ein. Yvonne verliebt sich in den Prinzen, doch entwürdigt der Hofstaat sie mehr und mehr.

"Man kann mit ihr alles machen. Mit ihr ist alles erlaubt", und so wird Yvonne gestoßen und geschubst, beleidigt und verletzt, sexuell belästigt und herabgesetzt. In Anbetracht von Yvonnes Häßlichkeit, entdeckt die königliche Familie ihre eigenen Schwächen: Yvonne hält ihnen den Spiegel vor. Die Königin entdeckt das poetische Unvermögen, von dem ihre Gedichte zeugen, und der König bemerkt, wie sich sein Leben auf den animalischen sexuellen Trieb reduziert. "Töten" lautet der einvernehmliche Beschluss des Hofes. Erst als Yvonne - der Konvention entsprechend - an der verschluckten Gräte eines gefährlichen Fisches elendig stirbt, erlangt der Hof seine vermeintliche Würde zurück.

Die Inszenierung des Spürbartheaters zeugte von außergewöhnlicher Kreativität: Yvonne wird - auf einen Karren gestellt - in die Handlung eingeführt. Sie trägt ein verschnittenes Blumenkleid, das einem Putzkittel ähnelt, sowie mit Knieschonern ausgestattete lilafarbene Leggins. Bei der Gestaltung der übrigen Kostüme zeigte sich das Ensemble ebenso einfallsreich. Hinzu kommen filmische Elemente: Auf eine Leinwand wurde die überdimensional große "Fratze" von Yvonne projiziert, die den König und seine Frau im Schlaf heimsucht. Auch tänzerische Einlagen hat das Ensemble in das Stück integriert: So führt Yvonne im Angesicht des schlafenden Königspaares einen plumpen Tanz auf, der gleichzeitig eine extreme Körperbeherrschung der Darstellerin erfordert. Obwohl die Burgunderprinzessin kein einziges Wort spricht, gebührt der Schauspielerin Anne Dauberschmidt wohl der größte Respekt sich so hässlich, plump und unappetitiich zu geben, dürfte der Amateur-Darstellerin höchste Anstrengungen abverlangt haben. In weiteren Rollen sind Jörg Hanusch, Anja Tolle, Renate Rinkens, Lothar Miethke, Jeannette Schuster-Marx sowie Fatou Lewalter zu sehen.

Königliche Blasiertheit: Die Darsteller überzeugten mit dem Stilmittel der Übertreibung.

1934 schrieb der polnische Schriftsteller Witold Gombowicz die groteske, schwarze Komödie "Yvonne, die Burgunderprinzessin". Als das absurde Theaterstück 1935 erschien, fand es kaum Beachtung. Erst 1957 wurde es in Krakau uraufgeführt und mit Begeisterung aufgenommen. Völlig neu inszeniert, gab das "Spürbar-Theater" am Donnerstagabend die Premiere des Stückes in der "Klangbrücke".

Aufführungen: "Yvonne, die Burgungerprinzessin" wird in vier weiteren Aufführungen gespielt:Samstag, 11. Oktober, Sonntag, 12. Oktober sowie Samstag 18. Oktober und Sonntag,19. Oktober. Beginn ist jeweils um 20 Uhr.